Völkerkunde

Flächenornament / Tapete, 2008

Giclé

"Am Beispiel der Arbeit Völkerkunde sei genauer erläutert, wie Wolf von Waldow aus schönen und gänzlich disparaten Elementen eine kosmische Bildfolie für unsere Existenz baut. Die Grundstruktur bezieht sich auf orientalische Sternflechtornamente, die einst die prästabile göttliche Harmonie der Welt in mathematisch-geometrisch reiner Form darstellten. Große Kreise im Hintergrund sind aus Weltformeln gebildet, die das All physikalisch beschreiben, so die Maxwellschen Gleichungen, die Heisenbergsche Unschärfenrelation, die Relativitätstheorie, Newtons Gravitationsgesetz und dergleichen. Diesen sind als zweite Ebene Elemente einer metaphysisch-religiösen Welterklärung vorgelagert. Den Vordergrund bildet ein Netz aus Arterien und Venen, dessen Kreuzungspunkte durch Medaillons hervorgehoben sind. Wie im Diskursmodell des Philosophen Ramon Llull von 1283 sind diesen die 16 Wesenheiten Gottes zugeordnet: Bonitas, Magnitudo, Aeternitas, Potestas, Sapientia, Voluntas, Virtus, Veritas, Gloria, Perfectio, Justitia, Largitas, Simplicitas, Nobilitas, Misericordia und Dominatio. Diese Medaillons assoziieren auch das Sphärenmodell der Welt: Im Zentrum steht die Erde, umgeben von Wasser, Luft und Feuer. Der Mensch selbst taucht auf in Form von Profilzitaten aus Tafeln der Rassentheorien des 20. Jahrhunderts, wobei deren ebenfalls wenig zutreffende Klassifikationen bewusst verwirrt wurden."

 

Hajo Schiff (Auszug aus: "Wolf von Waldow. Die Welttapete", Katalog Galerie Ruth Sachse, Hamburg 2008)

 

 
Marokkanisches Flechtmuster
Ramon Llull: Kommunikationsschema Deus, aus Ars Demonstrativa, 13. Jh.
E. v. Eickstedt: Abbildungen Menschenrassen, aus Veröffentlichung Mitte 1930er Jahre
Hildegard von Bingen: Schöpfung, Universum und kosmischer Mensch, aus Revelationes, um 1230