Wolf von Waldow – Metallplastiken

Wolf Jahn

Auszug Eröffnungsrede, anlässlich der Ausstellung mit Mareille Stahncke, Kunstkreis Schenfeld, 2007

... (Für) Wolf von Waldow (ist) die Ausführung nur die Realisierung eines im Vorfeld ausgeklügelten Plans. Diese durchaus mühsame und handwerklich zeitraubende Ausführung hat mit dem kreativen Prozess kaum noch etwas zu tun. ... Auch hier zeigt sich wieder der Antrieb der Sympathie. Da ist zunächst einmal die kunsthistorische Sympathie des Künstlers, seine Freude am Barocken, aber auch den zauberhaft herausgearbeiten Mikrokosmen, die sich uns in vergangener Goldschmiedekunst präsentiert. Jeder Teller, jede Kanne, jede Schmuckdose eine Welt en minature. Mit den auf Form und Funktion reduzierten Dingen unseres heutigen Alltags hat solch alte Goldschmiedekunst nichts zu tun. Sie will im Kleinen das Große zeigen, in der Kunst der perfekten Ausführung einen ganzen Pantheon im verführerischen Schmuck verdichten. Und dann sind dann noch jene Ornamentcluster, wie sie das 18. Jahrhundert, aber auch andere Epochen hervorgebracht haben, die von Waldow faszinieren. Keine simplen Ornamente aus Blüten, Blättern oder geometrischen Figuren, sondern ganze Arrangements aus zum Teil hochsymbolischen und politischen Einzelmotiven, aus Waffen und Fahnen, Girlanden und Tieren. Solch oft repräsentativer Dekor ist mehr als nur Ornament, das seinen Umraum mit Schönheit bereichert, fast schon eigenständiges Bild mit narrativem Charakter und zuweilen herrschaftlichem Anspruch.

Wolf von Waldows Vorliebe für diesen kunsthistorischen Reichtum an erzählerischer Mitteilfreudigkeit ist in seinen Skulpturen unübersehbar. Auch in ihnen herrscht jede Menge an Details, an motivischer Assoziation und an einer Verdichtung der einzelnen Teile vor. Die kunsthistorischen Vorbilder verlässt der Künstler jedoch dort, wo er beginnt sein Interesse für die ornamentale Erzählung in die Jetzt-Zeit zu verlegen. Was immer er in seinen Skulpturen miteinander kombiniert oder in Beziehung zueinander setzt, selten haben wir es mit alten, ihre Zeit überlebten Motiven zu tun. Wir entdecken das Handy, das Logo der Deutschen Bank, Frisuren der Jetzt-Zeit oder einen DJ. Daneben sind es überzeitliche Symbole, der Judenstern genauso wie der Halbmond, das christliche Kreuz oder der Stern des Kommunismus, die sich hier an einer Art Windrad geeint um immer die gleiche Achse drehen. Dann wiederum nimmt Wolf von Waldow populäre Motive auf, um sie umzudeuten. Etwa die Figur des Kaspers oder den Seemannsanker, dessen beiden Seitenachsen er in Hände mit zeigenden Finger verwandelt oder das deutsche Eichenblatt, dass aus Antennen mit menschlichen Ohren spriesst. Am auffälligsten aber ist Wolf von Waldows Sinn für die Reihung, das Serielle und die Wiederholung. Das verwandelt viele seiner Werke in eine Art Ausschnitt, Ausschnitt aus einem schier endlosen Kosmos, der sich aus immer den gleichen Bausteinen zusammensetzt.

Wolf von Waldows Objekte zeichnen damit gelegentlich Züge eines Puzzle aus. Das ist zunächst ganz wörtlich zu verstehen, wenn sich zum Beispiel ein einzelner großer Puzzle-Stein in die Komposition einschleicht oder wenn die gesamte Arbeit sich wie ein fertiges Puzzlebild aus mehreren, sich gegenseitig umklammernden Bildelelementen aufbaut. Wie ein Puzzle sind seine Objekte übrigens auch konzeptuell entstanden, jedoch mit dem Unterschied, dass sie eine Art selbstgenerierendes Puzzles verkörpern. Am Anfang ist ein Puzzlestein, also ein einzelnes Motiv, dessen blosse Existenz den zweiten herausbildet, dieser den dritten und so weiter und sofort. Solch Puzzle erscheint wie eine ins Plastische verwirklichte Assoziationskette, die Wolf von Waldow in ein dreidimensionales Bild verwandelt. Man könnte sein Vorgehen auch als eine Art sympathische Evolution bezeichnen. Aus dem einen ergibt das andere und beginnt sich mit ihm zu einem weiteren zu vereinen. Ist es fertig, strahlt es zunächst den verführerischen Glanz einer Pretiose aus. Aber Vorsicht! Wolf von Waldows Objekte verführen in Welten, die keineswegs immer heil sind, vielmehr mit Humor und zuweilen unterschwelliger Ironie unsere Welt mit dezent bösartigem, aber keineswegs aggressivem Charme in Einzelteile zerlegen, um sie uns dann als komplexes Gebilde auf dem Tablett zu servieren.

© Wolf Jahn, 2007