Competition for a school canteen

Wilhelm-Bölsche-Schule, Berlin Friedrichshagen, 2010

no english translation available

 

Aufgabe

Gestaltung der Eingangs-, und Rückwand einer Schulmensa, die in der ehemaligen Turnhalle der Wilhelm-Bölsche-Schule, Friedrichshagen eingerichtet wird.

 

Zunächst

Auffälligstes Gestaltungselement der Bölsche-Schule sind sicherlich die beiden monumentalen Eingangsfiguren. Mit ihnen sollte auch programmatisch der Auftrag des wilhelminischen Schulsystems formuliert werden: die Grundlage für eine wehrhafte, nationalistisch gesinnte Jugend und ein weises Alter zu legen. Neben dem gezückten Schwert auf den Knien des Jünglings wurde der politische Aspekt dieser Botschaft noch durch die Inschrift auf der Medaille rechts („Für König und Vaterland“) bekräftigt, die heute ausgemeißelt ist (Abb. 1).

Der zweite Ort für programmatische Darstellungen ist die Aula als Festsaal, jedoch liegt der Schwerpunkt hier auf dem humanistischen Aspekt von Bildung. Neben den Tierkreiszeichen fallen vor allem die Darstellungen von Gruppen antikisierend gekleideter junger Männer bzw. Schüler auf (Abb. 3, 4). Als zukünftige Kulturträger werden sie beim Schreiben, Zeichnen oder Singen gezeigt. Ihr Schicksaal und ihre Möglichkeiten werden dabei auch von den persönlichen Charaktereigenschaften bestimmt, die durch die Sternzeichen schon vorgegeben sind. In diesen Zusammenhang passen auch die verschiedenen Tierdarstellungen, die das Thema des individuellen Charakters und moralischer Eigenschaften noch differenzierter ausdeuten. Dabei mischen sich herkömmliche symbolische Bildformeln (Biene = Fleiß, Eule = Weisheit), mit Bezügen zu Mythologie bzw. Märchen (Raben, Wolf) und zur Naturwissenschaft (Qualle) (Abb. 5-8).

Da am Gebäude der Bölsche-Schule so ungewöhnlich umfangreiche, ikonografische Vorgaben zu finden sind, die deutlich über die reine Dekoration hinaus gehen, liegt es nahe, bei der Gestaltung der Mensa mit ähnlichen Mitteln auf diese Vorgaben zu antworten. Das geschlossene Weltbild, auf das man sich bei der Wahl der Symbole zur Erbauungszeit der Schule noch beziehen konnte, gilt heute allerdings nicht mehr. Entsprechend offen muss die Bedeutung von Einzelelementen und ihre Interpretation daher bleiben.

 

Wandgestaltung Mensa, Bölsche Schule

Mein Vorschlag setzt sich aus drei, einander überlagernden Ebenen zusammen. 

Die Seitenwände der Raumes weisen mit ihren Fenstern und Rundbögen ein starkes und logisches Gliederungssystem auf. Eingangs- und Rückwand sind demgegenüber ungegliedert und haben auch keinen Bezug zu den Seitenwänden. Dem Raum fehlt dadurch die Geschlossenheit. Mein Entwurf soll daher dem Raum eben diese Geschlossenheit geben. 

1. Ebene (gestrichelte Linien)

Die naheliegendste architektonische Möglichkeit wäre, das Gliederungssystem der Fensterseiten auf die restlichen Wände zu übertragen. Das Ergebnis zeigen die gestrichelten Linien. Bei Übernahme der Maßverhältnisse sitzen die Türen der Eingangsseite jedoch nicht in der Mitte der Rundbogenachsen sondern sind seitlich verschoben. Sie stehen für die Möglichkeiten, die Theorie, die mit der Praxis ja nicht immer deckungsgleich ist.

2. Ebene (farbige Flächen)

Die zweite, farbige Ebene, ist daher an den realen Verhältnissen der jeweiligen Wand ausgerichtet: auf der Eingangsseite an den Türen, auf der Rückseite am Kücheneinbau – und darum dort entsprechend nach oben verschoben. Form und Maßverhältnisse sind aus den Fenstern übernommen.

Den Halbkreisen der Seitenfenster entsprachen ursprünglich große, gemalte Laubkränze in den Deckenfeldern (vgl. Abb. 2), die ich mit der annähernden Kreisform aufgreife. Das farbige Band darunter entspricht dem Freiraum zwischen Täfelung und Fenster. Durch das Verschieben der Fläche (grün) über dem Kücheneinbau nach oben greift das Farbfeld ein kleines Stück in den Deckenbereich hinein. Um die daraus resultierende optische Verkürzung auszugleichen, verwende ich einen Kunstgriff aus der Quadraturmalerei: die Darstellung ist so verzerrt, dass sie von einem festzulegenden Punkt im Raum aus den Eindruck eines perfekten Kreises ergibt.

Farben: Kreisformen und Farbbalken stellen einander zwei unterschiedlich Farbsysteme gegenüber: ein Beispiel für einen technischen Farbraum (Kreise: rot, grün, blau) und den „bekannten“ künstlerischen Farbraum rot, gelb, blau (Balken). Sie umziehen den Raum wie ein Universum – so, wie die Sternzeichen in der darüberliegenden Aula den Raum umziehen. Die Farbfelder sind in Farbwerte aufgeteilt, wie in einem Musterbuch, oder nach der Freilegung alter Farbschichten. Seitlich gehen sie in den benachbarten Farbton über. Die Farbtöne orientieren sich grundsätzlich an den Pastelltönen, die auch sonst in der Bölsche-Schule verwendet werden (Aula, Gänge).

Ornamente: die Farbflächen werden von unterschiedlichen Flächenornamenten überlagert, ähnlich den geometrischen Formen, die die Decken von Aula und Eingangsbereich der Schule wie Stoffe überziehen. Die Motive sind aus Piktogrammen verschiedener Sportarten gebildet. Neben dem Verweis auf die frühere Funktion des Raumes als Sporthalle stehen sie allgemein für das Regelhafte, auch im Sinne sozialer Verhaltensnormen. In diesen Zusammenhang gehören auch die beiden unterschiedlichen Maßskalen, mit denen der Farbbalken unterhalb der Kreisformen versehen ist: einer Zehner-Einteilung und einer Dreier-Einteilung, wie sie z.B. dem Zensursystem zugrunde liegt.

3.Ebene (Figuren)

Den beiden wandgebundenen Ebenen sind große symbolisch-allegorische Figuren, wie Scherenschnitte, vorgelagert. Sie beziehen sich weniger auf die beiden Monumentalfiguren am Eingang der Schule, als vielmehr auf die Figurengruppen an der Decke der Aula. Thematisch umkreisen sie Begriffe wie Risiko, Balance, Schutz, Verantwortung, soziale Kompetenz – also Fähigkeiten, die die Schüler unter Anderem in der Schule ausbilden und in ihr späteres Leben tragen sollen. Dabei bleiben die Figuren in ihrer Bedeutung aber bewusst ambivalent.

 

Ausführung

1. und 2. Ebene: Flächenornamente und gestrtrichelte Linien schabloniert. 3. Ebene: Figuren aus Aluminiumblech (5 mm, gefräst, schwarz lackiert), in ca. 3 cm Abstand vor der Wand angebracht (Metallbolzen). Sie hängen so hoch, dass sie nicht ohne Weiteres erreichbar sind.

 

files/Bilder/Aktuell/Boelscheschule/normal/Refboelsche.gif
Wilhelm Bölsche-Schule, Friedrichshagen 1905/06:
Eingangsfiguren "Jugend" und "Alter", Aufnahme 30er Jahre
Turnhalle, Aufnahme 30er Jahre
Aula – Figurengruppen "Literatur" und "Zeichnen"
Aula – Symbolische Darstellungen im Deckenstuck