Narrativ

Wandobjekte 2016/20

Stahl, lasergeschnitten, lackiert

Unter dem Eindruck der sogenannten Flüchtlingskrise habe ich 2015 mit der Entwicklung dieser sich fortsetzenden Serie begonnen. Sie bildet für mich eine Plattform, mit der ich auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und tagespolitische Diskussionen reagiere und spiegelt meine Rat- und Fassungslosigkeit angesichts der sich immer stärker polarisierenden öffentlichen Debatten.

Der Begriff »Narrativ« taucht im gegenwärtigen Diskurs immer häufiger auf. Er bezeichnet eigentlich eine sinnstiftende Erzählung und ist positiv besetzt. Solche Erzählungen sind allegorischen Darstellungen vergleichbar. Auch diese fassen komplexe Zusammenhänge in griffige, konsensfähige Bildformeln und sollten damit Orientierungshinweise geben. Allerdings haben angesichts der weltweite gesellschaftliche Verwerfungen in den letzten Jahren viele dieser Erzählungen ihre Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft verloren. »Toxische Narrative« finden zunehmend Eingang in unser unmittelbares Lebensumfeld.

In dieser Serie greife ich unterschiedliche Sinnbilder auf, vom heraldischen Zeichen, wie Fahne und Eichenlaubkranz, über bestimmte Gesten und Posen, etwa dem Redner, der in die »einzig wahre« Richtung weist, bis hin zum ikonischen Bild der brennenden Twin Towers oder dem Schiffbrüchigen auf der einsamen Insel. Sie alle bringen bereits Bekanntes in eine bildliche Form, sonst könnten sie nicht gelesen werden. Allerdings setze ich diese Stereotype bewusst gegenläufig ein, um zu fragen: Wie tragfähig sind die (Heils)Versprechungen kollektiver Erzählungen überhaupt noch, in einer Zeit, die so sehr durch mediale Überhitzung geprägt ist? Und was geschieht mit einer Gesellschaft, deren Rahmenbedingungen sich so schnell ändern, dass solche Visionen kaum noch Bindungskraft ausbilden können?

Wolf von Waldow, 2020